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Digital Detoxing Selbstversuch: Was fünf Tage ohne Cookies aus einem "Digital Native" machen

  • Lesezeit: 10 Minuten
  • Schwerpunkt: Achtsamkeit, Digital Detoxing, digitaler Konsum
  • Key Learnings: Im digitalen Zeitalter prasseln haufenweise Informationen auf uns ein, bewusst und unbewusst. In einem Selbstversuch verzichte ich für fünf Tage weitestgehend auf jeglichen Informationskonsum - hauptsächlich digital - und berichte über meine Erkenntnisse.

Vor einigen Wochen habe ich einen meiner besten Freunde in München besucht. Wir sind gemeinsam aufgewachsen und haben viel zusammen erlebt. Auch heute noch gehen wir durch dick und dünn, vertrauen einander viel an. Zudem sind wir nicht wirklich zimperlich, wenn es darum geht, uns offen und ehrlich die Meinung zu sagen. 25 Jahre Freundschaft prägen und formen eben.

Es ist Abend.

Wir kochen zusammen.

Und zwar ein drei Gänge Menü, zusammengestellt aus Leckereien aus dem Buch „Persiana“ von Sabrina Ghayour. Ich lese eine Zutat, von der ich noch nie zuvor etwas gehört habe: „Tamarindenpaste? Was ist denn das für’n Zeug? Muss ich mal kurz nachschlagen!“

Ich greife zum Smartphone.

Mein Kumpel (ziemlich trocken): „Du bist echt ein totaler Smombie geworden!“

Ich (etwas verwirrt): „Ein WAS bitte?!“

Er (mit belehrendem Unterton): „Ein Smartphone-Zombie ... ein Smombie. Du hängst die ganze Zeit an dem Ding rum! Das ist echt schlimm!“

Mein Instinkt meint einen Angriff zu erkennen und beauftragt mein Gesprächsorgan mit der Abwehr: „Häh, stimmt doch gar nicht! Das ist doch völlig normal!“. 

In der Zwischenzeit erwacht mein Verstand aus dem Standby-Modus und versucht krampfhaft die innere Podiumsdiskussion meiner verschiedenen Persönlichkeitsanteile zu moderieren, die unweigerlich losgetreten wurde: 

Der Unsichere: „Hat er womöglich recht?!“

Der Selbstsichere: „Ach quatsch, er übertriebt! 

Der Unsichere wieder: „Was ist, wenn nicht?!“

Der Harmoniebedürftige: „Das hat er nicht so gemeint!“

Der Stolze: „Pah! Dem beweise ich, dass er quatsch redet!“

Der Unsichere wieder: „Aber vielleicht ist da doch etwas dran?!“

Und so weiter und so fort. Alles wild durcheinander! 

Die Situation erinnert mich ein wenig an Disney’s „Alles steht Kopf“. (ziemlich lustiger Film, kann ich nur empfehlen!)

Ich koche weiter. 

Ab jetzt allerdings nicht mehr nur physisch, sondern auch innerlich – nämlich vor Wut. Während meine Hände der Bitte des Gastgebers nachkommen, die Möhren für den Salat zu waschen, spule ich im Schnelldurchlauf die letzten zwei Tage ab und notiere gedanklich, wofür ich mein Smartphone genutzt habe: Fotos machen, Musik und Videos abspielen, Termine und Mails checken, Wecker und Timer stellen, netzwerken, googlen (ja, ich weiss, soll man nicht sagen ... ich bin ein Rebell und tu’s trotzdem! 😉 ) ... und – fast vergessen – telefonieren! „Aber das ist doch ganz normal!“ brülle ich laut in mich hinein. Ich merke, dass der Business Analyst in mir noch nicht überzeugt ist ... er fordert Fakten, dieser Erbsenzähler. 

Er bekommt sie. Ironischerweise auch wieder vom Smartphone, denn es trackt vieles mit, auch das Nutzerverhalten (für iPhones: Einstellungen > Batterie > Batterienutzung > Letzte 7 Tage > „Klick“ auf das Uhr-Symbol). 

Ich sehe nun die Nutzdauer für jede einzelne App. Meine Top 5 der letzten Tage schockiert mich:

Allein die Spitze meines digitalen Eisbergs macht über 12 Stunden (oder mehr als 7 % meiner Brutto-Wochen-Lebenszeit) aus. 

Mein innerer Buchhalter nimmt die Brille ab, lässt den Bleistift fallen, lehnt sich in seinen Sessel zurück, starrt etwas ratlos in die Ferne und atmet erst mal tief durch und deckt sich: „Mist! Erwischt! Das sitzt! Hab ich das Smartphone im Griff oder das Ding mich?! Bin ich wirklich ein Smombie?!“

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BIN ICH EIN SMOMBIE?

Zurück in Berlin befasse ich mich in einer ruhigen Minute bei einer Tasse Kaffee mal etwas näher mit dem Thema und werde fündig: Die Zahlen des Global Digital Report 2018, welche gemeinsam durch die Agenturen We Are Social und Hootsuite erhoben werden, bringen interessante Zahlen zu Tage: 

  • Weltweit nutzen etwa 5,1 Mrd. Menschen 8,59 Mrd. mobile Endgeräte. Im Schnitt besitzt jeder also 1,65 Mobile Devices.
  • Etwa 4 Mrd. Menschen nutzen das Internet(+250 Mio./+7 % gegenüber 2017), davon sind 3,2 Mrd.auch in Sozialen Medien unterwegs (+ 13 % gegenüber 2017). Dabei verbrauchen sie im Schnitt 2,9 GB an Datenvolumen im Monat.
  • Während mehr als 99 % der Bevölkerung Qatars (etwa 2,64 Mio. Menschen) Zugang zum Internet hat, sind es beim Schlusslicht Nordkorea lediglich 16.000 Menschen (0,07 % der Bevölkerung)
  • In Norwegen gibt’s die schnellsten Verbindungen (61,2 MBps), im Irak brauchen die Nutzer am meisten Geduld (4,2 MBps)
  • Durchschnittlich geben wir 883 US$ im Jahr fürs Shoppen im Netz aus. Der deutsche Durschnitt liegt bei 1.251 US$ - macht Platz fünf. Spizenreiter sind die Briten mit einer durchschnittlichen Ausgabe von 2.062 US$/Jahr.
  • Im Schnitt verbringen Menschen etwa 6 Stunden mit internetfähigen Geräten und Diensten – pro Tag! Der Spitzenreiter ist Thailand mit durchschnittlich 9h 38min. Der Deutsche liegt mit 4 h 52 min abgeschlagen auf dem 33. Platz. 

Jetzt kommt’s ganz dick: Multiplizieren wir die 4 Mrd. Nutzer mit durchschnittlich 6 Stunden Verweildauer pro Tag im WWW, so verbringt die Menschheit sagenhafte eine Milliarde Jahre pro Jahr im Netz!

Mein Fazit: Eindeutig zu viel! Ich muss handeln! Fragt sich nur, wie.

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LEERE IST RAUM FÜR KREATIVITÄT 

„Wir müssen den Informationsfluss unterbrechen, damit wir Output generieren können“, schreibt Tom Diesbrock in seinem Buch (Jetzt mal Butter bei die Fische!; Campus Verlag, S. 142) und legt dem Leser das Medienfasten nahe. Während das Digital Detoxing nur den Verzicht auf digitale Medien umfasst, geht Diesbrock noch einen Schritt weiter: „Bleiben Sie offline, lesen sie nicht, schauen sie nicht fern, lesen sie nicht mal die Müslipackung. [...] Es entsteht Leere. Diese kann unangenehm sein, wenn sie nicht gewohnt ist“. Warum ist das wichtig? Diesbrock klärt auf: „Wenn weniger Informationen auf uns einstürmen, dreht sich der Informationsfluss um, Gedanken, Impulse und Gefühle kommen aus uns heraus und ins Bewusstsein“. Diesbrock vertritt die Meinung, dass Leere produktiv ist, ja sogar als wichtiger Bestandteil eines kreativen Prozesses angesehen werden kann. Erst dadurch hätten Impulse, Wünsche und Ideen eine Chance, uns bewusst zu werden. 

Kein Input, dadurch mehr Raum für kreativen Output. Klingt irgendwie logisch. Der von uns produzierte Output ist uns bewusst (zumindest in den meisten Fällen), da wir aktiv „etwas machen“. Dem Input können wir uns allerdings kaum widersetzen, er ist nur scheinbar durch uns ausgewählt und gesteuert.

Ähnliche Erfahrungen hatte ich bereits während meines Schweige-Retreats im Mai 2017 gemacht. Dabei stellte ich für 72 Stunden das Kommunizieren auf allen Kanälen ein, hörte weder Musik noch Radio, las kein Buch, schaute nicht fern, verzichtete auf das Smartphone ... alles Dinge, mit denen wir uns von den tiefgründigen Themen unserer Gedankenwelt ablenken. Der Unterschied zu Diesbrock’s Medienfasten: Es ist auch kein Output erwünscht – kein Schreiben, kein Singen, kein Sprechen ... auch nicht mit den Menschen, die einen umgeben. Von einem Coach begleitet führten wir „gemeinsam einsam“ in einer Gruppe von etwa 15 Gleichgesinnten Meditationsübungen durch, um unsere Achtsamkeit – die Fähigkeit im Hier und Jetzt zu sein und auch zu bleiben – zu stärken. Diese Schweige-Erfahrung hatte ich schon fast vergessen. 

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DIGITALES FASTEN: DER VERZICHT AUF COOKIES

Das bringt mich auf eine Idee: Ich kreiere einfach mein eigenes Detoxing. Es soll alltagstauglich sein, keine Last sondern Lust darstellen und meinen Bedürfnissen und Umständen gerecht werden. Meine Spielregeln sehen folgendermaßen aus:

  • Da ich beruflich auf Mobile Devices und das Internet angewiesen bin umfasst mein Verzicht nur den privaten Bereich
  • Fünf volle Tage, das ist mein Ziel: Ich fange Montagfrüh direkt an und verzichte bis Freitagabend gänzlich auf die Nutzung aller Kommunikations- und Informationsgeräte, auf den Genuss von Musik und Literatur jeglicher Art. Und das auf auf allen erdenklichen Medien. 
  • Damit sich meine Mitmenschen keine Sorgen machen informiere ich meine Engsten über mein Vorhaben: Achtung, wundert euch nicht, wenn ihr mich nicht erreicht und ich mich bei euch nicht melde
  • Im Notfall will ich telefonieren können. Daher bekommt das Smartphone eine Zwangspause, stattdessen greife ich auf mein altes SonyEricsson W900i zurück: Rotationsdisplay, 2 MP Kamera, 478 MB interner Speicher. Das Ding rockte im Jahr 2005 die Handy-Welt! (Da sich meine ganzen Kontakte auf meinem Smartphone befinden und ich mir so gut wie keine einzige Nummer merke, dient mein Smartphone als „persönliches Telefonbuch“)
  • Meine Spielregeln dienen als Guideline und nicht als Zwang. (Hinweis für potenzielle Interessenten: Allein die Tatsache, dass ich mir diese Freiheit einräume, lässt mich schon entspannter an die Sache rangehen. Ihr solltet für euch auch eigene Spielregeln festlegen, am besten bevor ihr startet, damit ihr nicht zwischendrin ins Grübeln kommt.) 

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DIGITAL DETOXING: MEIN PERSÖNLICHER SELBSTVERSUCH

Tag 1

Montagfrüh, 6.07 Uhr. Diesmal weckt mich nicht mein Smartphone, sondern ein klassischer Wecker. 

Ich bin aufgeregt, mein Digital Detoxing geht los! Dennoch verspüre ich eine Leichtigkeit. Meine Neugier über meinen Selbstversuch verdrängt alle Verzichtsgedanken. Es fühlt sich gut an. Auf dem Weg zur U-Bahn bereits die erste Erkenntnis: „Huh, war das Haus schon immer blau gestrichen?!“. Ich beschließe kurzerhand, meine Erfahrungen der kommenden Tage als „Erkenntnisse“ festzuhalten.

Erkenntnis #1: Mehr Achtsamkeit führt dazu, dass ich mein Umfeld besser wahrnehme.

Während meiner Bahnfahrten in dieser Woche lese ich mal keine E-Mails und News. Menschen beobachten ist angesagt! Was machen meine Mit-Pendler eigentlich so während der Fahrt? Meine empirische Meinung dazu:

  • Es gibt sehr viele Smombies! Etwa die Hälfte aller Leute hängen am Smartphone. Menschen zücken es gerne beim Warten, Sitzen und Herumstehen, teilweise sogar in Gesellschaft. 
  • Es gibt viele Primbies! (Primbies, das ist ein selbst kreierter Begriff für „Printed Media Zombies“). Sie wirken auf mich aus irgendeinem Grund kultivierter als Smombies. Dennoch glaube ich, dass sie ebenso wie diese in Ihre eigene Welt flüchten.
  • Guten Morgen! Etwa 10 % dösen bzw. versuchen zu schlafen.
  • Weitere 10 % sind gedanklich abwesend.
  • Weniger als 5 % sind präsent und wirken „wach“ und aufmerksam. 

Erkenntnis #2: Es gibt noch weitere Digital Detoxer da draussen, da bin ich mir sicher: Einmal kreuzten sich meine Blicke mit denen eines anderen Pendlers, der ebenfalls aufmerksam beobachtete. Wir haben uns für einen kurzen Augenblick in die Augen geschaut und mussten dann beide schmunzeln. Ich glaube gespürt zu haben, dass wir uns auf einer ähnlichen Erfahrungsreise befinden.

Abends falle ich erschöpft ins Bett. Das Detoxing zwingt mich jedoch auf eine etwas unliebsame Angewohnheit zu verzichten: Das schauen von Bewegtbildern als Schlafhilfe. Unliebsam deswegen, weil das blaue Licht der Displays den Schlaf hemmen soll.

Mein Körper fordert Ruhe, in meinem Kopf geht es jedoch zu wie auf einem Jahrmarkt, ich verarbeite den Tag. Erst jetzt merke ich, wie viel Unruhe in mir herrscht. Ich scheine das nicht bemerkt zu haben. Die äußeren Reize des ganzen Tages haben wohl den Mantel der Unsichtbarkeit darüber gestülpt. Irgendwann schlafe ich dann doch ein, die Nacht ist ruhig, der Schlaf stärkend. 

Erkenntnis #3: Dauer-Achtsamkeit scheint meinen ungeübten Geist ziemlich anzustrengen (Anmerkung: Es wurde die darauffolgenden Tage besser, ich gewöhnte mich rasch daran).

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Tag 2

Ich beschließe mich zu belohnen und am Abend essen zu gehen. Ich möchte Zeit mit mir selbst verbringen. Das fühlt sich erst mal ziemlich komisch an, muss ich sagen. 

Ein guter Freund von mir geht gerne alleine ins Kino. Früher habe ich mich noch darüber lustig gemacht („Hast du keine Freunde oder was?“). Heute weiß ich, dass ich in meinem jugendlichen Leichtsinn zu vorschnell und unüberlegt über sein Verhalten geurteilt habe. Ich habe den Mehrwert einer solch privaten Aktivität einfach nicht sehen können.

„Erwarten Sie noch jemanden?“ fragt der Kellner. „Nein, ich bin alleine!“. Er schaut mich etwas bemitleidend an und räumt schweigend das zweite Tischgedeck ab.

An diesem Abend genieße ich jeden Happen, den ich zu mir nehme und beobachte dabei meine Mitmenschen. Ich meine folgendes Verhalten an mehreren Nachbar-Tischen zu erkennen: Sobald in einem Gespräch mal eine kleine Pause einkehrt oder wenn ein Thema in einer Gruppe von Menschen für den Einzelnen uninteressant zu sein scheint, kriechen die Smartphones aus den Hosentaschen wie Regenwürmer bei frischem Regen aus dem Erdboden. Es werden Mails gecheckt, Nachrichten gelesen, Facebook durchwühlt. Meine provozierende Frage: Welchen Mehrwert hat dieses Verhalten denn für unser Sein im Hier und Jetzt? Unterhaltungen sind schließlich keine Action-Filme, da sind ein paar Sekunden des gemeinsamen Schweigens doch eher etwas Schönes, findet ihr nicht auch?!

Erkenntnis #4: Ruhe lässt uns unruhig werden. Sie scheint für uns „vergeudete Zeit“ zu sein, ein ungewollter Lückenfüller zwischen zwei Abenteuern.   

Erkenntnis #5: Wir nehmen uns zu ernst. Wir brauchen keine Angst zu haben etwas zu verpassen, die Welt kommt auch ohne unser hinzutun ganz gut zurecht. Es ist ok, nicht alles mitzubekommen und nicht auf jede Nachricht sofort zu reagieren. 

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Tag 3

Im Büro fällt mir das digitale Fasten etwas leichter. Mein altes Handy erregt Aufmerksamkeit, wird als „kultig“ und „retro“ bezeichnet. Manche erlauben sich einen Scherz und fragen, ob man einen Waffenschein für das große Ding brauche. Haha ... sehr witzig!

Erkenntnis #6: Hipster dieser Welt, erhöret meinen Aufruf! Packt eure alten Mobiltelefon-Backsteine aus und gebt euer persönliches Handy-Statement ab!

Nach Feierabend mache ich mich mit einem Kollegen auf den Weg in einen HiFi-Laden. Wir waren noch nie dort, wissen den genauen Ort nicht. Seine an mich gerichtete Bitte, mal kurz auf dem Smartphone den Weg zu checken, muss ich ablehnen: „Sorry, ich faste digital! Wir müssen das anders lösen.“ Er nickt. (Achtung, es folgt Ironie!) Wir sind rebellisch und tun etwas ganz Verrücktes: Wir sprechen wildfremde Menschen an und bitten um ortskundigen Rat! Ihr werdet es nicht glauben, es funktioniert! Wir haben unser Ziel erreicht – auch ohne Google Maps und Co.

Erkenntnis #7: Digital Detoxing kann auch eine Re-Sozialisierungsmaßnahme sein.

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Tag 4

Feierabend! Zuhause angekommen setze ich mich nach dem Abendessen mit einer Tüte Chips auf das Sofa. Der Fernseher bleibt natürlich aus. Auch das Tablet. (Wer sagt, er schaut nicht mehr fern, bringt aber zugleich die Server von Netflix, Amazon Prime Video, Maxdome und Co. zum Glühen, belügt sich doch eigentlich nur selbst, findet ihr nicht auch?)

„Irgendetwas stimmt hier nicht“, denke ich. Ich beobachte mein Verhalten. Nach zwei weiteren Griffen in die Tüte wird mir etwas klar: Ich scheine mich selbst konditioniert zu haben! Knabbern und Fernsehen haben über die Jahre eine unzertrennliche Einheit gebildet. Nun entziehe ich durch das Digital Detoxing dem Duo ein Element ... der Gegenpart, das Knabbern, wirkt dadurch verloren und erscheint sinnfrei. Ich packe die Chips-Tüte weg, lege mich aufs Sofa und träume vor mich hin.

         Erkenntnis #8: Achtsamkeit kann eine ausgezeichnete Diät-Ergänzung sein.

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Tag 5

Wow ... ich habe es tatsächlich durchgezogen! Die letzten Stunden meines Digital Detoxing verbringe ich Zuhause, alleine, nur mit mir selbst. 

In den vergangenen Tagen habe ich viel beobachtet ... mich selbst und meine Mitmenschen. Und dabei viel über mich gelernt. Ich bin ein wenig stolz auf mich selbst, klopfe mir vor meinem geistigen Auge auf die Schulter. Es ist Zeit für ein Resümee. 

Ich schaue aus dem Fenster, höre Vögel zwitschern, Autos hupen, Kinder schreien. Es ist nicht ruhig, aber ich empfinde die Geräuschkulisse als beruhigend.  Mir wird klar: Es gibt nicht die „völlige Ruhe“. Das wäre unnatürlich. Selbst in der einsamsten Gegend der Welt haben wir raschelnde Blätter, einen plätschernden Bach, einen rauschenden Wind, ja, irgendetwas um uns herum. Der Mensch braucht das. Ich brauche das. Aber bewusst und achtsam.

Unsere Sinne nehmen andauernd Signale auf, 24 Stunden, 365 Tage im Jahr. Unser Körper ist trainiert, möglichst viel Input aufzunehmen und zu verarbeiten. Selbst im Schlaf hört das nicht auf, da wird geträumt. Dabei werden Synapsen verbunden, wir lernen, wir verarbeiten.

Die Dauer gepaart mit der Intensität des Empfindens entscheiden darüber, ob uns etwas in Erinnerung bleibt oder nicht. Ich frage mich, wieviel da wirklich hängen bleiben kann, wenn wir stetigen Informationsfluss haben. Die Reizüberflutung ist doch schon gesellschaftlich akzeptiert und zur Norm geworden. Ich erinnere mich daran etwas darüber gelesen zu haben, dass in der heutigen Zeit an einem einzigen Tag die gleiche Informationsmenge auf uns einprasselt wie vor 100 Jahren noch in einem Zeitraum von sechs Wochen (finde leider die Quelle nicht mehr). Ja, ich weiß, manche Reize können wir nicht abstellen, wir müssen lernen sie zu akzeptieren und mit Ihnen umzugehen. Aber wir sind keine digitalen Mülltonnen, die alles aufnehmen müssen. 

Leider gibt es in der digitalen Welt keine Gütesiegel wie in der Lebensmittelindustrie. Das macht es für einen jeden von uns schwieriger, erfordert Selbstdisziplin. Wir müssen uns unseren digitalen Konsum bewusstmachen. Sonst geht es uns wie Fischen ... die haben nämlich kein Sättigungsgefühl und fressen sich somit im schlimmsten Fall zu Tode. 

Wir sterben glücklicherweise nicht an Reizüberflutungen (zumindest ist mir kein Fall bekannt). Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es gesundheitliche Folgen hat. Aber selbst dazu gibt es kontroverse Standpunkte. Während die einen es als Mythos abtun, sehen andere darin eine große Gefährdung für das menschliche Wohlbefinden. Entscheidet selbst, was ihr davon haltet. Nichtsdestotrotz haben einige Krankenkassen die Gefahrenpotenziale der digitalen Transformation erkannt. Die pronova BKK bietet beispielsweise Infos über das Detoxing oder auch einen Schnelltest zum Online- Verhalten.

Erkenntnis #9: Jeder von uns sollte seinen digitalen Sättigungspunkt erkunden und achten.

Erkenntnis #10: „Du bist, was du isst“ heißt es doch so oft. Das gilt auch für den digitalen Konsum. Werdet zu digitalen Gourmets, seid wählerisch und anspruchsvoll!

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UND DIE MORAL VON DER GESCHICHT?

Ich habe für mich beschlossen, auf meine Bedürfnisse stärker zu achten um besser zu spüren zu können, wann wieder eine kleine digitale Auszeit notwendig ist. Für einen Selbstversuch war die Dauer von fünf Tagen und die Art und Weise meiner Durchführung absolut in Ordnung. Aber auch kleinere Pausen von wenigen Stunden können schon viel bewirken. Probiert es einfach aus! Ich freue mich auf euer Feedback und eure Eindrücke! 

In diesem Sinne: Rockt es!

Euer Celil


P.S. #1

Wir sprechen die ganze Zeit über das Detoxing und Fasten. „Ramadan Kareem“ an alle, die im Fastenmonat Ramadan auch auf echte Cookies verzichten!

P.S. #2

Das Männermagazin „Cord“ bot auch stets Content zum Thema Achtsamkeit. Leider mussten die Leute den Betrieb einstellen, was ich sehr bedauere. Die Ausgaben können jedoch Online nachbestellt werden. Prädikat lesenswert.

P.S. #3

Wer auch mal tagelang schweigen und genießen möchte findet sicherlich im Netz das eine oder andere Angebot. Ich selbst habe beim Schweige-Retreat des Odenwald-Instituts teilgenommen. Wenn du meine persönliche Meinung dazu haben möchtest, kontaktiere mich einfach.